Todesmärchen: Thriller (Maarten S. Sneijder und Sabine Nemez 3) (German Edition) by Andreas Gruber

Todesmärchen: Thriller (Maarten S. Sneijder und Sabine Nemez 3) (German Edition) by Andreas Gruber

Autor:Andreas Gruber [Gruber, Andreas]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Goldmann Verlag
veröffentlicht: 2016-08-14T22:00:00+00:00


30

Sonntag, 27. September

Hannah starrte auf Piet van Loon hinunter, der langsam zu sich kam. »Wer hat Sie so zugerichtet?«

»Die Schließer«, presste er mit geschwollener Lippe hervor. Die Worte klangen seltsam verstümmelt.

»Angeblich haben Sie sich selbst auch verletzt?«

Piet öffnete ein Auge, das jedoch gleich wieder zufiel. »Ich bin vielleicht verrückt, aber so verrückt auch wieder nicht.« Er rollte mit dem Kopf herum und blinzelte zur Decke.

Instinktiv wollte sie ihm den Speichelfaden aus dem Mundwinkel wischen, doch sie hatte Angst, sein Kopf könnte herumschnappen und er würde sie in den Finger beißen. Obwohl er mit den Lederfesseln auf die Metallpritsche fixiert war, wich sie einen Schritt zurück und hielt einen respektvollen Abstand.

»Was machen Sie hier?«, presste er hervor.

»Ich möchte mit Ihnen reden.«

Seine Mundwinkel schoben sich nach oben, als müsste er schmunzeln. Gleichzeitig verzog er schmerzvoll das Gesicht. Sie sah, dass sein Zahnfleisch geblutet hatte.

»Hat das nicht Zeit …?«

»Es gibt keine nächste Therapiestunde mehr. Mir wurde gekündigt.«

»Sie haben sich doch nicht mit Direktor Hollander angelegt?«, murmelte er. »Immer noch besser, als über die Klippen ge…« Ihm fielen die Augen zu.

Hannah befürchtete bereits, er könnte wieder einschlafen. Plötzlich drehte er sich zur Seite und erbrach sich erneut.

»Scheiße«, fluchte er. »Haben Sie mir Salzwasser eingeflößt?«

»Ja.«

»Können Sie mir … den Mund abwischen?«

»Nein.«

»Ich glaube, Sie sind noch verrückter als ich.«

»Möglich.«

»Wollen Sie mit mir über Irene Elling sprechen?«

»Die kümmert mich nicht«, log Hannah. Es interessierte sie zwar, aber im Moment waren andere Fragen wichtiger. »Warum haben Sie Sarah van Leeuwen getötet?«

Piet öffnete die Augen. Sein Gesicht straffte sich für einen Moment. »So, so«, flüsterte er. Langsam wandte er den Kopf und musterte Hannah. »Mein erstes Opfer.«

»Richtig. Sie war Ihre Freundin. Warum musste sie sterben?«

»Sie sind Sarahs Schwester, nicht wahr?«, stellte er fest.

Hannahs Körper versteifte sich.

»Sie heißen gar nicht Hannah Norland«, behauptete er.

Hannah antwortete nicht. Wie war er dahintergekommen? Er blufft doch bloß! Doktor Kempen hatte ihm wohl kaum ihre Akte gezeigt. Außerdem war sie Piet van Loon nie zuvor begegnet. Er konnte das also gar nicht wissen.

»Hat Sarah Ihnen ein Foto von ihrer Schwester gezeigt?«, fragte sie.

»Nein, hat sie nicht.«

»Wie kommen Sie dann darauf?«

Piet lächelte. »Ich habe es von Anfang an vermutet. Ihr niederländischer Akzent …« Er hustete und spuckte wieder aus. »Ich wusste, dass Sarahs jüngere Schwestern Anna und Emma heißen. Als ich Ihren Vornamen erfuhr, wurde es mir klar. Ihre Augen …«, röchelte er. »Sie haben den gleichen Blick!«

»Aber ich heiße Hannah.«

»Natürlich.« Es klang ironisch. »Sie haben Ihrem echten Namen nur vorne und hinten ein H hinzugefügt. So einfach war das.«

So ähnlich wie cold – old, dachte sie. »Das ist bloß Zufall.«

Er schüttelte träge den Kopf. »Das glauben Sie doch selbst nicht. H ist der achte Buchstabe des Alphabets, und damit wird aus Anna eben Hannah und bekommt sechs Buchstaben.«

»Ich verstehe nicht.«

»Acht und sechs«, wiederholte Piet. »Deine Schwester starb am achten Juni.«

Plötzlich duzte er sie. Verwirrt schüttelte sie den Kopf. »Das ist doch bloß ein Zufall.«

»Hannah, es gibt keine Zufälle. Dieses Datum ist eines der wichtigsten in deinem Leben. An diesem Tag habe ich dir deine ältere Schwester genommen.



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